Was wäre, wenn es im Jahr 1914 das Internet gegeben hätte?
Was wäre, wenn der Schlieffen-Plan auf Wikileaks veröffentlich worden wäre?
„Breaking History“ übersetzt historische Quellen in den modernen Medienapparat: Geschichte wird zur tagesaktuellen Berichterstattung. Ziel des Transemedia-Projekts ist es, neue Unterhaltungs- und Informationsformate, die mit hoher Reichweite und Nachhaltigkeit historisches Bewusstsein in der Gesellschaft verankern, zu erproben und zu etablieren.
Eine Online- Zeitung berichtet vom Tagesgeschehen, es gibt Podcasts mit Fragmenten zeitgenössischer Literatur, Film, Musik und Malerei. Über Newsletter werden politische und soziale Inhalte verbreitet und Reformen propagiert. Eine serielle Motion-Graphic-Novel erzählt die Geschichten zweier Familien. Von März bis September 2014 kann das Online-Publikum den Sommer 1914 „live“ miterleben: Tag für Tag erscheinen neue Informationen jener Zeit, die sich bald zu einer Collage zusammensetzen. Geschichte wird zu einem kubistischen Gemälde, multiperspektivisch und dynamisch.
Wenn sich im Jahr 2014 der Ausbruch des 1. Weltkriegs zum 100. Mal jährt, werden viele Veranstaltungen das Gedenken an ein singuläres Ereignis inszenieren. Was aus dem kollektiven Bewusstsein verschwunden ist, ist die Vorstellung vom Leben, das dem Massensterben voranging. Es gab ein Europa, das seine Zukunft plante, das sich im Aufbruch befand – ohne zwei Weltkriege im Gepäck. Je tiefer „Breaking History“ in den Sommer 1914 eintaucht, desto stärker verschwimmen Grenzen von Heute und Damals. Es gibt Guerillakriege, die Nomaden führen einen Jihad gegen die Briten, die Jugendbande in den Vororten von Paris nennt sich Apatschen. Und zwei entwurzelte, verstörte junge Männer, fast noch Kinder, werden von einer terroristischen Vereinigung missbraucht um ein Attentat zu begehen.
Geschichten erzählen und Geschichte vermitteln hat in den traditionellen Medien einen festen Platz und stößt auf großes Interesse. Die etablierten Institutionen – Museen, Sender und Verlage – beginnen jedoch, sich auf ein verändertes Nutzerverhalten durch Digitale Medien einzustellen. „Breaking History“ nimmt Formate und Distributionswege dieser Institutionen auf. Es vertritt dabei künstlerische, informative und unterhaltende Ansprüche. „Breaking History“ bildet die Grundlage für ein Spartenprogramm, das über Kooperationen, Koproduktionen und Lizenzen kontinuierlich zu einem deutschsprachigen, und später europaweiten, Geschichtskanal heranwachsen möchte. Mit einer Mischung aus kostenlosen Angeboten und Pay-On-Demand-Inhalten soll in der Zusammenarbeit mit Forschung und Lehre ein Erlösmodell erarbeitet werden, das langfristiges Bestehen und Erweiterung ermöglicht.
„Breaking History“ entsteht im „Moving Image Lab“ des Innovations-Inkubators an der Leuphana Universität Lüneburg und wird durch das Land Niedersachsen und die Europäische Union gefördert. Der Innovations-Inkubator ist das derzeit europaweit größte Regionalentwicklungsprojekt durch Wissenschaft. Im „Moving Image Lab“ entsteht Experimentierraum für innovative ausgründungsfähige Konzepte im Bewegtbild-Bereich. Neue Ideen treffen auf Partner, die sie umsetzen. So werden dringende anwendungsorientierte Fragen beantwortet: Wie sehen Transmedia-Formate der Zukunft aus? Wie werden sie produziert? Wie erfolgt ihre Distribution und Vermarktung? Das „Moving Image Lab“ verfolgt einen dreifachen Ansatz: Forschung, Entwicklung und Analyse. Die Forschung treibt den wissenschaftlichen Diskurs über Bewegtbilder im Netz voran. Das reicht von der soziologischen Erforschung neuer sozialer Praktiken über die medienwissenschaftliche Ergründung neuer Erzählstrategien bis zur wirtschaftlichen Analyse neuer Geschäftsmodelle. Entwickelt werden neuartige Fiction- und Bildungsprojekte, Experimente mit nutzergenerierten Inhalten oder interaktives Dokutainment. Die Analyse beantwortet systematisch diese Fragen: Welche Erzählstrategien funktionieren im Netz? Wie kann Nutzerbeteiligung befördert werden? Welche Geschäftsmodelle sind tragfähig?